Dienstag, 17. Januar 2023

Neues: Zwölf.

Ins Schwarze 

Ich bin getroffen
doch spür' ich keinen Schmerz
So schreibe ich
aus dunkler Wunde heraus
was nun befreit sich lösen darf

Und tief im Innern
doch längst nicht ohne Licht
liest staunend du
ganz ohne Mühe heraus
was gleichsam blutend Freiheit sucht

Es ging ein Pfeil
der nicht verletzt
nur heilt
Weil's eine Sprache ist
die trifft 
So legt sich schützend
auch auf die letzte Narbe noch
ein
Wort. 

T. R. U. S. T. (für R.)

Nicht wegsehen können. 
Den Schmerz aushalten 
der aus einem Wort 
Erkenntnis enthüllt. 

Nicht wegsehen wollen. 
Den Abstand ausloten 
der aus Vertrauen 
Wahrheit erschafft.  

Nicht wegsehen müssen. 
Das Gefühl aussprechen 
das aus Verlorenem 
Gewonnenes entlässt.  

Thorough realness uplifts simple trust. 

Coniunctio

Eine zweite Haut ist
mir gewachsen
in nur einem Tag
und einer Nacht
Das alte Ich
mit neuem 
Gesicht
leicht zu tragen
und Schwere wohnt
nur noch
wo ich jetzt ende.

Leicht auch abzulegen
für den Moment
Weiß ich doch
wenn sie
und ich es wollen
wird sie sich
im nächsten
selbst erneuern
endlos
schwerelos
in nur einer Nacht
und einem Tag. 










Auf Sand 

Wo mag es sein 
das Glück? 
Wie viele Wellen 
trennen mich davon? 
Könnt' ich mich lösen 
heute, morgen 
käm' ich zu Zeiten an? 
Was braucht es, loszulassen? 
Mut? Willen? Sehnsucht? Lust? 
Und wähl' die Richtung
ich allein? 

Dort muss es sein
das Glück.
Nur ein paar Wellen 
trennen mich davon.
Würd' ich mich lösen 
heute, morgen
ich käm' zu Zeiten an. 
Ich braucht', um loszulassen 
nur Mut. Willen. Sehnsucht. Lust. 
Die Richtung wähl' ich dann 
allein.  

Es war einmal ein Boot -  
mit Platz für zwei. 


(Danke, A.!)

Samstag, 20. Februar 2021

Neues: Herzzeitlose und andere Blüten.


Lieber nicht

Und dann
war da dieser Spruch
Frauen sollen
eher schön sein als klug
denn Männer könnten
besser sehen als denken

Und dann
war da eine Welt
überfüllt von
dummen
glotzenden
Menschen.
 
- Also dann 
lieber

nicht. 


Freesia refracta

Ich habe Freesien gekauft
die ersten des Jahres
und sie nach Hause getragen
durch den Schnee
den letzten des Jahres
hoffe ich

Ich habe Freesien gekauft
die Lieblingsblumen
meiner Mutter
und sie neben das Telefon gestellt
von dem ich sie nicht mehr anrufen kann
um zu erzählen

Ich habe Freesien gekauft
die ersten des Jahres
Hast du's gesehen?
flüstere ich
wie jedes Jahr
seit nur der Duft der Blüten als Antwort bleibt 


Einer 

Und da ging einer
und sprach noch:
Im Großen und Ganzen
habe ich dich
geliebt.

Und da stand eine
und dachte still:
Im Kleinen und Kaputten
hast du es nie
versucht. 


Kein Wunder 

Es gibt 
Stellen an mir
die du 
immer wieder triffst
in die du 
stichst, beißt 
oder
dein ganzes Dasein bohrst
Stellen an mir
die du 
immer wieder verfehlst
um die du 
Haken schlägst
oder
einen weiten Bogen machst
Stellen an mir
die du 
immer wieder liebst
in die du 
sinkst, atmest 
oder 
dein sanftes Gefühl legst 
Das alles macht 
immer wieder auch
Kitzeln 
und am Ende 
lachen wir 
immer wieder beide

Sonntag, 2. Februar 2020

Blackout Poetry: Cyrano (an)geschwärzt.



(1)

ein anderer
von der ersten zeile an
fühle ich meine seele
zeit beenden
hier, wenn ich will,
kann ich schließen
und wäre es nicht
ein abschied
vielleicht nähmen worte
- andere
zweifel

die krankheit
zieht mich
dem tode nah 

(2)

... 
ich sehe dich
weil ich dich liebe
und du mich
weil du mich liebst
komm zu mir
wenn du willst
schon einen tag mehr
ach!
ich kann es glauben
dein bild im herzen
ich kann dir versprechen
es ist lebensecht
mir vor augen
mir aus dem herzen
und wieder dahin zurück
ich sehe sonne
das ziffernblatt
deiner abwesenheit
um die stunde zu erfahren
die stunde
die du kommen wirst
du findest mich
am leben 

(3)


--- 
mich zu zeigen
glaubte ich
gegenüber einem ähnlichen
charakter
vermessen mit den augen
ist gnade nur 


(Originaltexte aus: Herzstiche. Die Briefe des Cyrano de Bergerac, dtv 2001)





Dienstag, 21. Januar 2020

Neues: Tagespost.


Es gibt sie noch, diese Tage. Die dich einfach so anlächeln. Da steht die Wintersonne gerade hoch genug, um nicht zu blenden. Stattdessen blinkt sie dir muntere Morsezeichen durch die lichten Bäume. Da holt dich beim Bäckerkaffee der alte Herr mit seiner Fahrradklingel am Rollator und dem verschmitzten Grinsen einfach so raus aus dem letzten Buchgedanken. Da duftet die Dame vor dir an der Supermarktkasse so zauberhaft nach Pfannkuchen, dass du gleich nochmal zum Bäcker gehst. Da möchtest du die Hand der alten Dame, die sie dir reicht, damit du ihr bitte beim Austeigen aus dem Bus hilfst, am liebsten für einen kleinen Augenblick länger festhalten. Einfach so. Da fühlt sich das Gehen mit Musik auf den Ohren fast schon ein bisschen wie Tanzen an. Da drückt nichts, zwickt nichts, beißt nichts. Weil der Tag einfach keine Lust darauf hat. Da kannst du ein-, durch- und ausatmen, ohne dass dich irgendetwas bremst. Da lässt die eisige Winterluft nur Unerwünschtes im Kopf erstarren. Da spürst du sie besonders deutlich, diese Wärme speichernde Stelle in dir... 
Es gibt sie noch, diese Tage. Und du lächelst zurück. Einfach so. 


Sonntag, 19. Januar 2020

Neues: Menschen. Kostüme.


Hallo Lieblingsmensch

Was den Unterschied macht:
Am liebsten
bist du mir,
wenn ich einen Menschen brauche,
mit dem es gut tut,
für eine Weile
die Menschen zu meiden.


Selbstbild, metamorph

Ich hab die
Vorstellungskraft
eines Schmetterlings
wenn er sich vorwärts
denkt von
Blatt zu Blatt
und frisst und kriecht
und kriecht und frisst
bis er ihn findet
den Ort
der Veränderung
Wenn er sich
hingibt
hergibt
im Stillen
und sich groß träumt
und bunt und frei
Ich hab die
Vorstellungskraft
eines Schmetterlings
wenn er sich hinaus
wagt in
das, was die Welt
noch zu bieten hat
und nicht
verzweifelt
an ihr

Ich hab die
Vorstellungskraft
eines Schmetterlings
und manchmal
auch
die Flügel. 



Wider und wieder 


Sie hätte nichts mehr zu verlieren
sagt sie
Und das Spiegelbild
hinter dem Tresen
fällt dabei
versehentlich aus dem Rahmen
legt sich in etablierte Falten
nimmt einen Schluck
wider das Erinnern
aus dem Stundenglas
aus den Augen
und straft sich
auch in dieser Nacht
selbst Lügen. 



Samstag, 15. September 2018

Neues: Schweigen. Nicht Schweigen.

Per plex

Es gibt Räume
dort zerfällt 
an kryptischen Wänden
die Sprachlosigkeit
in ungezähltes
Echo:
Un-erhört Vielsagendes
in
potenzierter
Stille. 



Schau

Zwischen Käsetheke
und Tiefkühlpizza
ist es passiert 
Dort fing ich an
zu tanzen

Eins, zwei
Wiegeschritt

Die stehenblieben
konnten es nicht glauben
bis einer
aus der Reihe trat

Aus Staunen
wurde Lächeln
Lachen
Und von Käsetheke
bis Tiefkühlpizza
fingen sie an
zu tanzen
als hätten sie 

nie lieber 
losgelassen 

Eins, zwei
Wiegeschritt
Eins, zwei
Wiegeschritt
Eins, zwei

Weckerklingeln.

 

Davon und auf

Beim Gehen
spüren
was auf der Zunge liegt
Schritt
für Schritt
für Schritt
die Silben noch sortieren
darauf
bevor der nächste
Windstoß
sie davonträgt

Verzeih
wenn sie dir dann
wie eiliges Herbstlaub
vor die Füße fallen

Für den Mantel des Schweigens
ist es ja
noch viel zu warm. 


Montag, 30. Juli 2018

Neues: Eins nur. Zwei.

Abyssal

Stetig suchen
versuchen

Gelingt es
erfüllt es
füllt es

Gelingt es nicht
reicht es
erreicht es
eine dieser Tiefen in mir
die geübt sind im Schweigen
Verschweigen

Laute(r) Leerstellen.


Bitte

Wasch mich mit allen
Wassern
den stillen, den wilden
den kalten und heißen
Zu viele Namen
auf meiner Haut

und dann

schenk mich den Winden,
den sanften und rauhen
und deinem Atem auch
Ich weiß
du weißt
dass ich so
- ungleich leichter -
fliegen kann.

Samstag, 25. November 2017

Neues: Altes. Und.

Fa(k)tum

Und wieder Worte
wieder wider
Worte
ziehen mich an
ohne bin ich
nackt
sprachloses Kind
zahnlose Alte
durchsichtig
ganz in der Mitte

Buchstaben stopfen Löcher
in Bauch Herz Kopf
offen bleibt alles
trotzdem
nicht weil
mache ich einen Satz
wie andere Liebe
ist ja auch ein Wort
zum Aufschreiben
komme ich immer

Und wieder Worte
wieder auch
Genuss
- Genus? -
wörtlich genommen
bleib' ich nicht
nackt
zieh mich an
löchriges Ding
atmet Worte.

Blutet 
Tinte. 


Zwei Leben 

Bleib doch
möchte ich sagen

Beim Gedanken daran
dass du schon
vor Jahrhunderten
unseren Abschied
probtest
bleibt jedoch
genau das
mir im Halse stecken.

Geh doch. 


In Wahrheit 

Wer
ahnt 
wagt 
findet sich 

Wohin 
führt
geht 
findet sich 

in Wahrheit 

das, was Liebe 
als 
kleinsten gemeinsamen Nenner 
nennt 

Sonntag, 19. November 2017

Neues: Jetzt ist now.

Superero 

Du hast den letzten Schuss nicht gehört
dachte ich mit
bemerkenswerter Verspätung
nachdem er längst gefallen war
Aufrappeln musste nur ich
mich
doch
Wunden lecken war leichter
dieser transzendenten Tage
sie schmeckten wenig bitter
blutig ein bisschen
nach gefeiertem Leben sowieso
trockneten geräuschlos
während ich meine wilden Töne wiederfand
sprach und sang und
vergaß

Erinnern will ich mich nur
an das verrückte Spiegelbild im
Fensterglas
an das eine Früher, das
auch heute noch als Wahrheit über allem
liegt
denn
Tränen lachen ist leichter
hier, auf der anderen Seite
wo Herbstlaub knistert wie
ein neugeborenes Feuer
wo sich die
psychedelische Braut
mit dem Sturm nach der Ruhe vermählt
und tanzt und singt und
liebt

Die Wahrheit ist
jeden Tag seh' ich Menschen
mit neuen Augen.











(Foto: Link, Künstler: Bamboo Insects - Facebook)